22.09.2025 Kunst & Kultur – Redaktion
„Im Süden nix los?“
Ein grafisches Vermächtnis der SuedKultur Music-Night
Harburg – Zum 15. Jubiläum am 11. Oktober feiert die SuedKultur Music-Night nicht nur die Live-Musik, sondern auch eine bemerkenswerte visuelle Chronik. Wir haben mal ins Plakat-Archiv geschaut…
Hinter den dynamischen Motiven der letzten anderthalb Jahrzehnte steckt die Harburger Grafikerin Sabine Schnell von reflexblue, die es verstand, die Geschichte des Festivals in immer wieder neuen, eindrucksvollen Plakatdesigns zu erzählen. Ihre Arbeit geht über bloße Werbung hinaus, sie ist ein grafisches Tagebuch der kulturellen Renaissance in Hamburgs Süden.
Die Geschichte beginnt nicht mit einem Musiker, sondern mit einer Provokation. Das Plakat aus dem Jahr 2010, noch vor der ersten Music-Night, stellt die rhetorische Frage „Im Süden nix los?“. Das Motiv ist so trocken wie genial, ein augenscheinlich gelangweiltes Paar sitzt auf einem roten Sofa, während die Liste der beteiligten Kulturinstitutionen demonstrativ die Behauptung entkräftet. Dieses Design von Sabine Schnell ist kein Werbeplakat im klassischen Sinne, sondern ein Statement. Es schafft eine Identität, indem es sich einer Stereotype entgegenstellt und mit augenzwinkernder Ironie die kulturelle Leere, die man dem Stadtteil gerne nachsagt, als absurde Lüge entlarvt.
Mit dem Start der Music-Night im Jahr 2011 ändert sich der Fokus. Die Plakate werden direkter, musikalischer. Zu Beginn aber liegt der Fokus noch rein auf Instrumenten. Das 2011er Design stellt die Trommelstöcke in den Fokus, während die Ausgabe von 2012 mit der Bassgitarre eine urbane, bodenständige Ästhetik einführt. In den folgenden Jahren rückt die menschliche Figur in den Vordergrund, ohne jedoch ins Klischee zu verfallen. Dann folgt eine Phase der Musiker-Porträts und Stimmungsbilder. Das 2013er Plakat zeigt einen Musiker auf einem ländlichen Weg, das 2016er einen Gitarristen auf einer Brücke.
Die Motive stehen für eine musikalische Reise, die über bloße Unterhaltung hinausgeht. Die Farbgebung ist prägnant, vom dramatischen Rot der 2014er Ausgabe bis zum grellen Magenta von 2018, das die explosive Energie der Live-Musik einfängt. Ab 2019 wagt die Reihe einen mutigen Schritt in die Abstraktion und thematische Diversifizierung. Ein Astronaut, der durchs Weltall fliegt und Gitarre spielt, visualisiert er die universelle Kraft der Musik? Oder doch Harburg als ganz eigenen Planeten? Den immerhin gibt es jetzt im Mini-Format im ehemaligen Karstadt-Kaufhaus. In den Folgejahren etabliert sich eine dynamische Comic-Ästhetik. Das Plakat für die „Fight for live“-Reihe im Jahr 2020, in dessen Rahmen auch das 10jährige Bestehen der Music-Night gefeiert wurde, stellt einen Sonderfall dar.
Im Gegensatz zu den jährlichen „SuedKultur Music-Night“-Plakaten, die eine einheitliche visuelle Linie verfolgen, präsentiert dieses Plakat eine karikaturartige Zeichnung eines Gitarristen im Vordergrund. Der Stil erinnert an eine Comic-Ästhetik und weicht damit bewusst von den vorherigen Designs ab, um die Thematik des „Kampfes für Live-Musik“ während der Corona-Pandemie zu visualisieren. Die Informationen sind detaillierter und listen die spezifischen Termine und Veranstaltungsorte auf. Das Plakat von 2021 mit der Hand, die das Mikrofon aus einem Schwall reißt, symbolisiert die ungebrochene Kraft der Live-Musik während der Corona-Pandemie. Das 2022er Design bedient sich gar der Superhelden-Ikonografie, indem es das Logo als Symbol einer kulturellen Rettungsmission auf der Brust des Helden platziert.
Die jüngsten Entwürfe spielen mit den Möglichkeiten des Digitalen. Das 2023er Plakat ist ein fast schon cineastisches Porträt einer Musikerin, während das Motiv von 2024 mit dem Gitarre spielenden Leguan die Grenzen zwischen Realität und Imagination verschwimmen lässt. Es ist ein spielerischer Umgang mit der Ästhetik, die die Künstliche Intelligenz möglich gemacht hat.
Das Plakat zum 15. Jubiläum kehrt zurück zum Ursprung. Das Logo selbst wird zum zentralen Motiv. Mit seinen leuchtenden Farben und den dynamischen Lichteffekten feiert es die Marke „SuedKultur Music-Night“ selbst. Es ist das visuelle Resümee einer beispiellosen Entwicklung.