16.09.2024 – Gerd Demitz
Fremd und doch nicht anders
„Psychiatrie und Psychotherapie zwischen den Kulturen“
Dr. Peter Schlegel, Professor Dr. Mike Mösko, Kreisrätin Ana Cristina Bröcking, Andrea Picker, Stefanie Oertzen und Dr. Andreas Brandstätter gestalten den Verbundtag. Foto: Landkreis Harburg
Es ist ein Thema, das aktueller nicht sein könnte – welche Hilfen kann man Menschen mit Fluchterfahrungen anbieten? Wie kann die Sozialpsychiatrie Menschen betreuen, bei denen die traumatischen Erlebnisse im Heimatland und auf der Flucht ihre Spuren hinterlassen haben und die sie weiter beschäftigen? Intensiv beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Verbundfest des Sozialpsychiatrischen Verbundes im Landkreis Harburg mit dem sensiblen Thema „Psychiatrie und Psychotherapie zwischen den Kulturen“.
„Wir stehen vor der Herausforderung, Menschen mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen geeignete Hilfen anzubieten. Das fordert uns auch auf, uns mit den eigenen Haltungen und Vorurteilen auseinanderzusetzen“, betonte Kreisrätin Ana Cristina Bröcking. Dabei gelte aber: „Die Menschen sind fremd, aber nicht anders.“
Als Referent ging Professor Dr. Mike Mösko auf die verschiedenen Aspekte ein, die das Thema umfasst. Er leitet neben seiner Tätigkeit in Praxis und als Professor für Klinische Psychologie die Arbeitsgruppe Psychosoziale Migrationsforschung am UKE und engagiert in diesem Bereich auch ehrenamtlich. So ist er Gründer und ehrenamtlicher geschäftsführender Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „SEGEMI Seelische Gesundheit – Migration und Flucht“. Mösko wies auf die gewaltige Dimension hin, 117,3 Millionen Menschen weltweit sind gewaltsam vertrieben, davon haben rund 75 Prozent Aufnahme in Entwicklungs- und Schwellenländern gefunden. Bei der Betreuung und psychosozialen Hilfe gelte es, einerseits sprachliche Barrieren zu überwinden – denn das führe oft dazu, dass die Betroffenen keine Hilfe erhalten. Anderseits seien auch kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen, und interkulturelle Konflikte beispielsweise zur Rolle der Frau haben nach seinen Erfahrungen oftmals Konsequenzen auch für andere Patienten und Mitarbeiter. Mösko weiß, das Fremde, Dinge, die außerhalb des eigenen Kulturkreises sind, können rasch mit negativen oder auch positiven Bewertungen verbunden werden. Er empfahl gerade bei Konfliktsituationen:
„Nehmen Sie einen Perspektivwechsel vor und versuchen Sie, die Situation aus Sicht der anderen Person wahrzunehmen.“
Mit dem Verbundfest werden einmal im Jahr alle mitwirkenden Akteure der sozialpsychiatrischen Versorgung zu einer gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung eingeladen. Mit dabei sind hauptamtlich und ehrenamtlich Mitarbeitende in dem Bereich, aber auch Betroffene und Angehörige. Ganz wichtig sind dabei der persönliche Austausch und die Begegnung. Auch diesmal nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder die Möglichkeit, intensiv über das Thema zu diskutieren und dabei auch eigene Erfahrungen zu berichten.
Dem Netzwerk des Sozialpsychiatrischen Verbundes gehören Therapeuten und Fachärzte aus Kliniken und Praxen, Mitarbeiter der im Verbund organisierten Hilfeanbieter, Kostenträger sowie psychisch Erkrankte und ihre Angehörigen an.